Lieber Klaus, liebe Mitglieder und Gönner der TS Göfis!

Es folgen einige Zeilen über das Projekt-Leben der Solidaritätsinitiative Puravida in Brasilien, die von der TS Göfis unterstützt wird…

2022 heißt es, Bilanz über die Auswirkungen der COVID Pandemie zu ziehen, und die Indikatoren zeigen, dass in Brasilien ein schreckliches und chaotisches Wirtschafts- und Krisenmanagement stattgefunden hat. Mit nur 2,7 % der Weltbevölkerung ist Brasilien für fast 13 % der weltweiten Todesfälle durch Covid-19 verantwortlich. Ein Anstieg von 14 Millionen Menschen, die an Hunger leiden, wurde allein in diesem Jahr verzeichnet, und somit sind es nun über 33 Millionen, die in dem südamerikanischen Land nicht genug zu Essen haben. Damit ist Brasilien auf ein Niveau zurückgefallen, das dem der 1990er Jahre entspricht und somit wieder auf der „Weltkarte des Hungers“ vertreten. Glücklicherweise wurde durch ein legitimes Wahlverfahren im Oktober die Gefahr abgewendet, dass Brasilien einer zweiten Amtsperiode von dem nun bald schon Ex-Präsidenten Bolsonaro ausgesetzt wird, welcher durch seine antidemokratischen Aussagen und Attacken zu trauriger Berühmtheit gekommen ist.

Für uns „Nordestinos“, genauer gesagt, wir hier in Jacobina, im Landesinneren von Bahia, bedeutet dieser Wechsel Grund für Hoffnung und Zuversicht. Wir knüpfen wieder an die Projekte an, die wir schon vor der Pandemie begonnen haben und die auf Einkommensschaffung durch basisorientierten Tourismus und bäuerliche Landwirtschaft beruhen. So konnten wir mit lokalen Fördermitteln ein Touristenzentrum errichten, wo afrobrasilianische Kultur-Aufführungen stattfinden, wie Capoeira und Afrotanz, und das Platz für einen traditionellen Handwerksmarkt und ein Restaurant mit lokalen gastronomischen Köstlichkeiten bietet. Auch konnten wir ein modernes „Casa de Farinha“ in Betrieb nehmen, wo die traditionelle Kunst der Maniokmehl Produktion praktiziert und auch vorgeführt wird. Das Erleben dieser traditionellen Kulturen, eingebettet in die wunderschöne Berglandschaft, sind unsere Zutaten für eine nachhaltige Tourismus-Entwicklung, die den Familien zugutekommt und lokales Einkommen schafft.

Ein weiteres, neues Thema unserer Arbeit findet im Zusammenhang mit erneuerbarer Energie statt, wobei wir (leider) die Schattenseiten dieses Business aufzeigen müssen, welches spätestens seit der COP-27 in Ägypten in aller Munde ist . Auf der einen Seite steht die Bewusstheit über den notwendigen Wechsel der weltweiten Energiematrix, auf der anderen Seite stehen Firmen (die oft europäische Banken und Fonds als Investoren haben), welche Megaprojekte mit tausenden Wind-Generatoren auf eine aggressive und teils skrupellose Weise in den Gebirgszügen vorantreiben, ohne die Rechte der hier ansässigen indigenen und traditionellen Bevolkerung zu beachten. Unter dem Deckmantel „saubere“ Energie werden „schmutzige“ Praktiken angewendet, zum Beispiel wenn es um die Landfrage geht und Bauern und Bäuerinnen, die oft nicht lesen und schreiben können, dazu gedrängt werden, Verträge zu unterzeichnen, ohne diese zu verstehen und welche für sie schwerwiegende, nachteilige Folgen mit sich bringen. In dieser Situation bieten wir, gemeinsam mit StudentInnen der öffentlichen lokalen Universität, juristische Beratung an, damit die ländlichen Gemeinschaften eine Chance haben zu verstehen, um was es eigentlich geht. Dabei sind wir uns bewusst, dass es sich um ein zutiefst sensibles Thema handelt, vor allem in Anbetracht der Energieversorgungs-Knappheit und dem bevorstehenden europäischen Winter. In Zukunft sind globale Interessenkonflikte sind abzusehen, vor allem im Kontext der neuen Technologie „Grüner Wasserstoff“, welche Energie zu einer internationalen Commodity macht, wie etwa Soja oder Mais, und wo die Länder des Südens billige, „saubere“ Energie den Wirtschaftszentren im Norden liefern sollen. Angesichts dieses sich abzeichnenden Szenariums lautet unser Motto: „Wenn schon ein Wechsel der Energiestrukturen hin zu sauberer Energie notwendig ist, lass uns dies doch einmal im Leben richtig machen, mit ökologisch-sozialer Gerechtigkeit!“.

Im Sinne der oben erwähnten Hoffnung und Zuversicht wünschen wir Euch einen frohen Jahreswechsel und bedanken uns recht herzlich für die Unterstützung aus Göfis.

Liebe Grüße aus Brasilien,

Markus Breuss, DI