Liebe Freunde, liebe Göfnerinnen und Göfner!

Es fällt mir nicht leicht, die richtigen Worte zu finden, wenn ich daran denke, wie ich euch am besten die aktuelle Lage in Brasilien schildern könnte. Ich kann nur sagen, dass die Phase, die Brasilien seit dem letzten politischen Wahlkampf im Oktober 2018 durchmacht, in meiner Wahrnehmung zum Besorgniserregendsten zählt, was ich in den fast 2 Jahrzehnten, in denen ich schon in Brasilien bin (ich kam im Jahr 2000 im Rahmen eines Auslands-Zivildienstes nach Brasilien), erlebt habe.

Es geht nicht darum, dass eine, demokratischen Prozessen eigene, ideologische Ausrichtung in der politischen Landschaft zwischen „links“ und „rechts“ stattfindet, nein, es findet eine generelle Invertierung zivilisatorischer und humaner Werte statt. Es wurde eine Kultur des Hasses und der Ignoranz eingeführt, unter der hauptsächlich Minderheiten der Bevölkerung leiden,  wie traditionelle und indigene Volksgruppen, und Menschen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung der Gewalt ausgesetzt sind. Dies trifft auch die ökonomischen Benachteiligten hart, wie z.B. schwarze Jugendliche, die ohne soziale und ökonomische Perspektiven aufwachsen, und Frauen, die einem toxischem Machismus ausgesetzt sind. Es finden auch irreparable Konsequenzen in ökologischer Hinsicht statt, wie z.B. die verheerenden Waldbrände in Amazonien, die apokalyptischen Umweltkatastrophen im Bergbausektor und der riesige Ölteppich im Nordosten Brasiliens. Laut Amnesty International ist Brasilien das Land, wo MenschenrechtsaktivistenInnen und UmweltschützerInnen am meisten Bedrohungen und Gewalt ausgesetzt sind.

In diesem Szenarium sind unsere Projekte hauptsächlich mit dem Schutz der oben genannten Minderheiten tätig. Eine stabile Vereinsstruktur, die nur unter Mithilfe und Unterstützung der Solidaritätsinitiative Puravida aus Göfis entstehen konnte, ermöglicht es uns (dem Verein ATABAQUE in Jacobina im Nordosten Brasiliens), lokale und internationale Geldmittel zu mobilisieren, um umfassende Projekte umzusetzen. Die finanzielle Zuwendung durch die TS Göfis wird dadurch potenzialisiert. So findet gerade ein Projekt statt, welches es 35 Frauen aus 15 traditionellen ländlichen Gemeinschaften (Quilombos) ermöglicht, regelmäßige Treffen mit Erfahrungsaustausch durchzuführen, wo auch eine rechtliche Beratung stattfindet.

Im Laufe des Jahres fanden zahlreiche berufsbildende Kurse für Jugendliche und Frauen statt, z.B für ökologische Landwirtschaft, Nähen, Schneidern und Handarbeiten. Auch fand ein Förderkurs statt, bei dem 15 (!) Jugendliche aus peripheren „Armenvierteln“ die Aufnahmeprüfung bestanden haben und nun auf der staatlichen Universität studieren können. Wir haben ein „Zentrum für Digitale Zusammenarbeit“ eingerichtet, wo die Bewohner des Viertels lernen können, mit Computer und Internet umzugehen. Unsere große Hoffnung ist die Umsetzung von öko-kulturellen Tourismusprojekten in unserer Gemeinschaft, um so lokales Einkommen und Arbeitsplätze zu schaffen. Es ist gerade ein Projekt im Gange, das bundesstaatliche Förderungen für den lokalen Tourismus vorsieht und die Errichtung eines Campingplatzes und gesicherte Wanderwege beinhaltet. Auch ist eine Videodokumentation im Entstehen, welche die Geschichte der Entwicklung des Stadtviertels Bananeira beschreibt, welche eng mit der Initiative Puravida aus Göfis verbunden ist.

Ich hoffe, bei meinem Besuch Anfang nächsten Jahres den Film in einer deutschen Version im Ländle vorführen zu können!

Abschließend möchte ich sagen, dass ich mir tagtäglich die Frage stelle, ob Brasilien wirklich das Land ist, wo ich meine 3 Töchter aufwachsen sehen möchte. Die Sehnsucht nach Österreich wird immer größer …

Liebe Grüße aus Jacobina in Brasilien und ein herzliches Dankeschön,
Markus Breuss, DI